Zur Abstimmung über das GKV-Finanzierungsgesetz (GKV-FinG) im Deutschen Bundestag erklärt der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Karl Lauterbach:
Der Beitragssatz wird um 0,6 auf 15,5 Prozent angehoben und dabei
festgefroren. Alle weiteren Kostensteigerungen gehen einseitig zulasten
der Versicherten und der Steuerzahler, da sie in den Zusatzbeitrag im
Sinne einer kleinen Kopfpaushale hineinlaufen.
Das ist der Sinn der Reform: Die dauerhafte Entlassung der Arbeitgeber aus der Parität. Weil die Arbeitgeber aber an der Steigerung der Kosten in Zukunft nicht mehr beteiligt sein werden, werden sie für die Arbeitnehmer genau doppelt so schnell steigen: Weniger Netto vom Brutto für jeden Versicherten. Der dabei eingeführte Sozialausgleich ist nichts anderes als ein Almosen.
Für alle Rentner dürfte gelten, dass es in Zukunft keine Rentenerhöhung
mehr gibt, weil die im Durchschnitt zu erwartende Steigerung der
Kopfpauschalen stärker wirken dürfte als die jeweilige Rentenerhöhung.
Im Prinzip kann man sagen, dass die Entlastung der Arbeitgeber durch
eine Dauernullrunde bei der Rente erkauft wurde. Den kleinen Sozialausgleich können die Steuerzahler aufbringen. Dass ist der Ausstieg aus einem Solidarsystem von mehr als 100 Jahren Tradition. Jeder, der es sich leisten kann und oberhalb der Versicherungspflichtgrenze von rund 50.000 Euro pro Jahr verdient, kann zukünftig bereits nach einem Jahr in die private Krankenversicherung wechseln. Bisher musste er mindestens drei Jahre warten nach dem Erreichen der Verdienstgrenze. Die privaten Versicherungskonzerne bekommen so die Belohnung von der FDP für die lange gemeinsame politische Arbeit.
In Zukunft dürfen Ärzte ihren Patienten für die Behandlung die Kostenerstattung für die Dauer von mindestens drei Monaten anbieten. Dies isteine Art der Vorkasse, auch wenn der Minister diesen Ausdruck nicht für richtig hält, aber er beschreibt die Lage genau. Der Patient bezahlt dabei nämlich den Arzt nach den Regeln der privaten Krankenversicherung, der Gebührenordnung der Ärzte, aus eigener Tasche, und bekommt dann nach der Weitergabe der Rechnung an seine Krankenkasse nur den Betrag erstattet, den die gesetzliche Krankenkasse bezahlt hätte. Im Durchschnitt bleibt der Patient dabei auf etwa 50 Prozent der Kosten sitzen, einschließlich einer Verwaltungsgebühr, die er entrichten muss.
Niemand braucht eine solche Abzocke. Wenn der Arzt nur bei Vorkasse
bereit ist, einen schnellen Termin zu vergeben, oder bei Vorkasse eine
bessere Behandlung verspricht oder sich die drei Augenärzte einer
Kleinstadt verständigen, Vorkassepatienten zu bevorzugen, dann hat
der kranke Patient keine echte Wahl. Es handelt sich um Abzocke, nicht
um Wahlfreiheit.
Genau wie die Aufzahlung bei Arzneimitteln wendet sich diese Regelung
gegen die Kranken und die Älteren, die es sich nicht leisten können,
mit dem Arzt zu verhandeln und ihm ausgeliefert sind. Bei der Terminvergabe und der Behandlungsqualität ist der Einstieg in die Drei-
Klassen-Medizin somit vollzogen. Privat geht immer vor, dann kommt
Vorkasse und schließlich der normale gesetzlich Versicherte
("Holzklasse"), wobei auch diese dritte Klasse durch die Beitragssatzerhöhung und die Zusatzprämien teurer wird.